Als wir im Team dieses Jahr die Auswahl der Institution für die Weihnachtsspende diskutiert haben, waren wir uns schnell einig, dass wir eine Einrichtung nehmen möchten, die in Zeiten von Corona besonders bedeutsam ist. Unsere Wahl fiel auf die Bahnhofsmission Köln. Doch was macht die genau und wer sind die Menschen hinter dieser Organisation? Um etwas mehr zu erfahren, sprachen wir mit der sehr engagierten und sympathischen Leiterin der Bahnhofsmission Köln, Corinna Rindle.

Corinna Rindle führt mit viel Leidenschaft und Verstand die Bahnhofsmission Köln.

Neun Jahre leitet sie nun schon die Bahnhofsmission in der Domstadt – „Und es wurde bisher nie langweilig“, betont sie. „Normalerweise habe ich nach einem Zeitraum von fünf oder sechs Jahren immer einen beruflichen Wechsel angestrebt, weil sich eine gewisse Routine eingestellt hat. Die gibt es hier nicht, denn kein Tag ist wie der andere“, sagt sie. Dies liege unter anderem daran, dass die Bahnhofsmission deutlich mehr Aufgaben habe, als die meisten Menschen vermuteten. „Wir haben kürzlich eine Umfrage im Bahnhof gemacht und waren erstaunt: Zwar kennen fast alle die Bahnhofsmission dem Namen nach, aber die meisten wissen nicht, was wir machen. Wenn man mit uns etwas verbindet, dann die Hilfe von Obdachlosen. Dabei ist das gar nicht unsere Kerntätigkeit“, erklärt sie uns.

Vielschichtige Aufgaben

Die Bahnhofsmission Köln habe bis vor einigen Jahren in erster Linie zweimal am Tag Kaffee angeboten. Inzwischen sind die Aufgaben ganz anders gelagert, so Rindle: „Wir sind keine Obdachlosenhilfe. Dafür gibt es andere Organisationen, hier im Bahnhof allein zwei. Wir bieten den Menschen ein offenes Ohr, Gespräche und Beratung. Wir haben für jeden, der das Bedürfnis nach Wärme, einer Pause oder einem Gespräch hat, eine offene Tür.“ Darüber hinaus betreue die Bahnhofsmission Reisende bei ihren Sorgen und Problemen. So können beispielsweise Familien mit Kindern im Hort der Bahnhofsmission eine Umstiegspause einlegen oder man unterstützt unbegleitete Kinder sowie Personen mit Einschränkungen.

Auch die jüngsten Gäste wissen die Arbeit der Bahnhofsmission zu schätzen.

Für Corinna Rindle ist es wichtig, dass zunächst alle Gäste mit Offenheit und Empathie empfangen werden. „Wir können nicht in jedem Fall helfen, aber wir können oft vermitteln und die entsprechenden Hilfsangebote benennen“, so die 52-Jährige. Dabei sei es entscheidend, über ein gut funktionierendes Netzwerk zu vielen anderen Einrichtungen in Köln zu verfügen. „Wir kennen nicht alles, dafür ist die Anzahl der Angebote in einer Stadt wie Köln zu vielfältig. Aber in den meisten Fällen kennen wir jemanden, der weiterhelfen kann.“

Engagierte Mitarbeitende

Nicht nur inhaltlich hat sich die Bahnhofsmission entwickelt, auch die Anzahl der Mitarbeitenden ist deutlich gestiegen. Sichtlich stolz erläutert die Leiterin: „Wir sind mit mir als einziger Festangestellten gestartet und hatten eine Handvoll Ehrenamtliche. Inzwischen haben wir vier Personen fest angestellt (2,5 Stellen) und 75 ehrenamtliche Helferinnen und Helfer.“  Die Zusammensetzung der Ehrenamtlichen ist dabei genauso vielfältig wie die Struktur der Gäste. Es sei „alles dabei“: von Studierenden über Vollzeitberufstätige bis hin zu ehemaligen Managern, die aus ihrem Beruf ausgestiegen sind. Für die Leiterin der Bahnhofsmission ist vor allem wichtig, dass jeder im Vorfeld versteht, worauf sie oder er sich einlässt und deshalb eine Schulung erhält. Ein Ansatz, der überzeugt, denn Frau Rindle erklärt: „Wir haben eine sehr geringe Fluktuation, viele Helfer bleiben uns über Jahre treu.“

Anspruchsvolle Tätigkeiten

Das Anforderungsprofil für eine ehrenamtliche Kraft in der Bahnhofsmission ist umfangreich: Es müssen Krisengespräche geführt, eventuell muss deeskaliert werden, das Thema Drogensucht spielt eine Rolle, Kinder sind zu betreuen etc. „Wir können unserem Team kein Geld zahlen, aber was wir tun können, ist die Engagierten durch Fortbildungen zu stützen und stärken. Genau das machen wir sehr intensiv“, erläutert Rindle. So besuchen die Mitarbeitenden zum Beispiel ihre Netzwerkpartner, um einen besseren Eindruck von deren Arbeit zu erhalten und diese kompetent empfehlen zu können. Sie nehmen aber auch an Weiterbildungen teil – nicht nur vor Ort, sondern (vor Corona) bundesweit.

Corona fordert

Das Thema Corona macht Corinna Rindle sehr zu schaffen: „Im ersten Lockdown mussten wir unser Angebot zeitweise komplett einstellen, Beratungen fanden am Fenster statt. Das fand ich unerträglich, weil vor allem Obdachlose keine Anlaufstellen mehr hatten. Viele Akteurinnen und Akteure in Köln haben sich in dieser Zeit für ein Hygienemobil am Bahnhof stark gemacht, an dem wir dann vor Ort Gespräche und Beratung anboten.“ Inzwischen ist die Bahnhofsmission nach entsprechenden Hygiene-Vorkehrungen wieder geöffnet, aber immer noch mit starken Einschränkungen. Die Reisebegleitung wird derzeit gar nicht angeboten, der Gastraum musste von 16 auf vier Tische reduziert werden. Für das Team um Corinna Rindle ein harter Schlag, da sie alle mit Leidenschaft dabei sind und der Bedarf an Hilfe natürlich jetzt im Winter und zu Corona-Zeiten nicht aufhört. Zwar werde weniger gereist, aber das Thema der Obdachlosen und Schutzsuchenden bleibt natürlich bestehen.

Zu Beginn des Lockdowns im Frühjahr fanden Beratungen in diesem Hygienemobil statt. Bildrechte: Bahnhofsmission Köln

Um das Team beisammen zu halten, werde derzeit über Videokonferenzen und virtuelle Meetings kommuniziert. Bislang stand Corinna Rindle der digitalen Kommunikation eher skeptisch gegenüber, zeigt sich inzwischen aber begeistert und erkennt zunehmend auch Vorzüge: „Diese Möglichkeiten sind toll, auch wenn sie das persönliche Gespräch natürlich nicht ersetzen können. Aber ich habe die Chance mit den Ehrenamtlern, die zu Hause in Wartestellung sind, in Kontakt zu bleiben und diesen auf diesem Weg die weitere Anbindung an die Bahnhofsmission anzubieten.“ Natürlich hoffen alle, dass bald wieder ein normaler Betrieb möglich ist und das Angebot im vollen Umfang wieder zur Verfügung stehen kann.

Jeder Tag ist anders

„Das Schöne an unserer Arbeit ist, dass wir nie wissen, wer durch unsere Tür kommt“, schwärmt die Missions-Leiterin. Vielleicht ist es eine Frau, die Schutz vor ihrem Mann sucht, oder ein Mann, der ein Zutrittsverbot zu seiner Wohnung hat; vielleicht ist es aber auch eine Familie auf der Durchreise oder es sind wiederkehrende Gäste ohne Obdach, die sich bei uns aufwärmen und ihr Handy laden möchten“, reflektiert die Leiterin der Bahnhofsmission. Schade sei manchmal nur, dass man oftmals nur Einzelbegegnungen hat und das Ende der Geschichte nicht erfährt.

So wäre beispielsweise einmal ein Mann zu ihr gekommen, ein gepflegter Reisender, der offensichtlich nicht auf der Straße lebte. Er berichtete, dass er auf der Fahrt zu seiner von ihm getrenntlebenden Familie sei, die er lange nicht gesehen habe. Er sei Alkoholiker, lange Zeit trocken und habe nun gestern einen Rückfall erlebt. Das müsse er jetzt seiner Familie mitteilen. Nachdem er seine Geschichte erzählt hatte, sei er aufgestanden und gegangen: „Er brauchte nur ein offenes Ohr, jemanden, der ihm einfach zuhört. Das reichte ihm.“

Aber es gibt auch wiederkehrende Gäste, weiß Corinna Rindle zu berichten: „Eine Zeit lang hatten wir jede Woche Besuch von vier Männern, die sich bei uns zum Kartenspielen trafen. Sie sahen recht gepflegt aus, dennoch hatten wir den Verdacht, dass sie auf der Straße lebten. Wir konnten sie zunächst nicht für ein Beratungsgespräch gewinnen. Sie wollten für sich sein. Das haben wir respektiert. Erst nach sehr langer Zeit kam einer von ihnen zu mir, um mir von der Situation eines seiner Freunde zu berichten. Er war nach dem Tod seiner Frau zusammengebrochen und hatte Arbeit und Wohnung verloren. Nach und nach wurde deutlich, dass alle vier aus verschiedenen Gründen wohnungslos waren. Einer war schwer erkrankt, ein anderer hatte ein Alkoholproblem. Wir konnten dann helfen und zumindest drei von ihnen ist es gelungen, wieder Fuß zu fassen. Das war ein toller Erfolg.“

Meist sind die Begegnungen flüchtig. Hin und wieder aber werden Corinna Rindle und ihr Team zu längerfristigen Begleiter*innen von Menschen, die die Bahnhofsmission aufsuchen.

Andere Zeiten, neue Herausforderungen, gleiche Mission

Orientierung geben und Wege aufzeigen ist immer ein Kernanliegen der Bahnhofsmission gewesen. Dabei ging es nie, auch wenn der Name anderes vermuten lässt, um das Missionieren. Gegründet wurde die Bahnhofsmission um 1900, als mit der beginnenden Industrialisierung die erste Landflucht einsetzte und Frauen allein in die Städte kamen. Die ökumenisch organisierte Bahnhofsmission hatte damals das Ziel, diese Frauen vor der Prostitution zu schützen und sie bei ihrem Start in der Stadt zu unterstützen.

Heute noch gehen die Ehrenamtlichen regelmäßig durch den Bahnhof, um Menschen anzusprechen, die verloren oder orientierungslos wirken. Eine Art von Zuspruch, die gerade jetzt in diesen kontaktarmen Zeiten sehr gut ankommt und begeistert aufgenommen wird. Wir bei result sind jedenfalls sehr froh, diese spannende Einrichtung für unsere Spende ausgewählt zu haben und wünschen dem Team der Bahnhofsmission für die Zukunft alles Gute. Sie machen einen tollen Job!


Träger der Bahnhofsmission sind IN VIA, der katholische Verband für Mädchen- und Frauensozialarbeit Köln e. V. und die Diakonie Köln und Region.