Als ich vor einiger Zeit mit meinen Kindern für ein abendliches Schnitzel-mit-Pommes-Essen auf dem Weg zur Dorfkneipe war, kündigte ich an: »Ihr nehmt auf keinen Fall das Handy mit. In einer Dorfkneipe sitzt man am Tresen beim Bier oder mit Karten am Tisch und quatscht. Handy gibt es da nicht. Das stört die Atmosphäre!« Das haben meine verständigen Kinder sofort eingesehen und sind komplett endgerätefrei mitgegangen. Als wir dann besagte Kneipe betraten, sahen wir vier ältere Männer am Tresen sitzen. Sie tranken Bier, hatten Spaß – während sie sich gegenseitig YouTube-Videos auf ihren Handys zeigten. Da stand ich nun, mit meiner tollen Vorankündigung, in einer solchen Lokalität seien Smartphones gänzlich tabu.

Ähnlich verhält es sich meiner Meinung nach auch mit Vereinen und Verbänden. Sie waren und sind in erster Linie Plattformen für analoges Netzwerken. Man trifft sich, geht gemeinsamen Interessen nach, informiert sich über Neuigkeiten, diskutiert, stimmt ab, trifft Entscheidungen. Alles offline. Alles »in echt« und in Sälen oder an großen Tischen. So funktioniert Verbands- und Vereinsarbeit. Das Gegenteil von »lose« und »unverbindlich«. Und das Gegenteil von »virtuell«.

Wie also sollten sich Vereine und Verbände gegenüber der Digitalisierung aufstellen? Sollten sie vielleicht bewusst keinen Gebrauch von diesen Möglichkeiten machen, um das Analoge ihrer Struktur zu betonen und einen Gegenakzent zu setzen? Oder müssen sie schnellstens auf den »Digitalisierungszug« aufspringen, um nicht abgehängt zu werden?

Digitale Möglichkeiten als Erweiterung zum Altbewährten

Aus meiner Sicht gilt für Vereine und Verbände das Motto: »Altes bewahren und Neues wagen«. Der Kern der Netzwerkarbeit darf sich nicht ins Digitale verschieben. Damit würden Vereine und Verbände an Wirkung verlieren. Sie würden austauschbar im Vergleich mit »Communities« und »Interessensgruppen«. Die Mühe realer Zusammenkünfte, der oftmals zähe Ablauf von Versammlungen und Abstimmungen, die Realisierung von Veranstaltungen, das Einrichten von Arbeitsgruppen etc. … alles das macht die Verbindlichkeit und Nähe eines Vereins oder Verbandes für seine Mitglieder aus. Damit bekommen diese Organisationen einen festen Platz im Leben – privat wie beruflich.

Dennoch: Vereins- und Verbandsmitglieder sind digital, genau wie alle übrigen Menschen auch. Sie wandeln sich durch diese Digitalisierung. Ihre Geduld nimmt ab, ihr Zeitbudget ebenfalls. Ihre Erwartungen an Beteiligung, Information und Meinungsbildung ist »on demand«. Man möchte wählen können, ob man seine Information auf Papier oder digital bekommt, möchte Feedback auch zwischen zwei Vereinssitzungen geben können. Ohnehin scheint heutzutage ja nicht einmal die kleinste Gruppenverabredung noch ohne WhatsApp zu funktionieren.

Vereine und Verbände sind aus meiner Sicht gefordert, ihre Dialogangebote möglichst weit aufzufächern. Gleiches gilt für die Möglichkeiten des Austauschs, der Informationsbereitstellung und Entscheidungsfindungsprozesse. Mitglieder eines Vereines oder Verbandes sollten auch digital mit der Organisation kommunizieren können. Etwa, indem eine virtuelle Verbindung zwischen den Mitgliedern hergestellt wird. Ideen und Feedback gehören vor einer Versammlung auch digital eingesammelt und entsprechend ausgewertet. Abstimmungen können digital vorbereitet werden.

Das alles stellt für Vereine und Verbände, die von der Ehrenamtlichkeit ihrer Mitglieder leben, eine große Herausforderung dar. Aber es ist am Ende eine Frage der Prioritäten: Oftmals ist es unglaublich, was auch kleine Vereine mit viel Engagement auf die Beine stellen. In Zukunft gehören dazu auch die digitalen Begleitangebote. Auch dafür werden sich kompetente und engagierte Personen finden lassen.

Wichtig ist dabei, dass sich der eigentliche Kern der Vereins- oder Verbandsarbeit nicht ins Digitale verschiebt. Entschieden wird auf dem Platz, also im »echten Leben«! Dort findet auch das eigentliche Netzwerken statt (genauso, wie die politische oder Lobbyarbeit der Verbände). Diese Wege virtuell abkürzen zu wollen, wäre eine fatale Entscheidung. Denn Begegnung und Gespräch bleiben im Kern immer analog.