Als ich vor einem Jahr bei Twitter startete, habe ich einen Erfahrungsbericht („Twitter – was macht das mit mir?“) geschrieben. Damals habe ich dieses Fazit gezogen:

„Insgesamt bin ich mir noch nicht wirklich sicher, ob es mir gelingen wird, Twitter in meinen Lebens- (2 Kleinkinder) und Arbeits- (2 Firmen) alltag einzubinden. Es verlangt Kontinuität und Nachhaltigkeit und Präsenz vor dem Bildschirm. Letzteres fällt mir besonders schwer, weil ich am liebsten durch viel reale Kommunikation und aktives Dabeisein manage – das gilt für die Familie wie auch für die Firmen. Dennoch würde es mir leidtun, müsste ich mich von Twitter wieder verabschieden. Denn dafür begeistert mich diese Art der Vernetzung und des Austauschs derzeit zu sehr. Also warten wir mal ab, wie das Experiment weitergeht …“

Nach einem Jahr nun kann ich sagen: Es ist mir gelungen, dabei zu bleiben – und zwar aus Begeisterung und weil es einfach schwer ist, einem Dialogfluss den Rücken zu kehren, wenn man einmal beteiligt war. Die zeitliche Integration in den Tag fällt mir manchmal immer noch schwer, und es ist interessant, dass ich alle Punkte, die ich nach drei Wochen auf Twitter wahrnahm, auch heute noch für absolut zutreffend halte.

Twittern macht Spaß.
Die Kommunikation in 140 Zeichen in einem erst einmal unbekannten Netzwerk macht Spaß. Es ist lustig, gute Tweets zu lesen, es ist spannend und ideal für jedwede Wartezeit-Überbrückung.

Twittern setzt Information voraus.
Wenn man, wie ich, nicht persönliche Stimmungen und Gefühle, sondern eher Diskussionsbeiträge und Wertungen twittern möchte, braucht man Themen und Informationen. Ich lese also Fachzeitschriften und surfe im Web, deutlich mehr und regelmäßiger als in meinem Leben vor Twitter.

Twittern braucht Zeit.
140 Zeichen sind schnell geschrieben. Das geht immer, überall und zwischendrin. Hunderte Twitterer im Blick zu halten, denen man folgt, ihre versendeten Links zu öffnen, selbst Themen zu recherchieren und zu verfolgen, das dauert lange. Es ist zeitaufwändig – und zwar nicht zu knapp.

Twitter stört.
Die „always-on“-Philosophie von Twitter stört den üblichen Tages- und Arbeitsablauf und verursacht Stress. Man erhält kontinuierlich Meldungen, die man parallel zur ausgeübten Tätigkeit entweder wahrnimmt oder wahrnehmen will. Zugegeben, als Twitter-Anfänger bin ich vielleicht etwas uncool: Aber der Eindruck, etwas zu verpassen, wenn ich zu lange offline bleibe, sitzt mir arg im Nacken …

Twitter-Kommunikation geht auf Kosten der realen Kommunikation.
Dies ist sicher ein Phänomen aller sozialen Netzwerke. Kommunikation erzeugt Anschlusskommunikation und auf Twitter läuft ein Strom mehrerer nicht abreißen wollender Dialoge und Erzählungen. Klinke ich mich ein, hänge ich drin. Die Zeit, die ich virtuell spreche, muss ich real schweigen. Mit anderen Worten: Nachbarin, komm nicht zum Kaffee – ich muss twittern.

Twittern birgt Verantwortung.
Wenn ich Follower habe, habe ich Leser. Wenn ich Leser habe, habe ich diesen gegenüber eine Verantwortung. Sie stellen Erwartungen an mich, zum Beispiel die, dass ich etwas sage. Und dass das stimmt, was ich sage. Und dass es gut ist, was ich sage. Oder neu. Oder lustig. Diese Verantwortung muss man umso ernster nehmen, umso größer die Anzahl der Follower ist. Ich finde, dass man an dieser Verantwortung durchaus nicht leicht trägt.

Twittern ist gut für’s Ego.
Wenn man etwas vermeintlich Schlaues sagt und jemand darauf reagiert oder es zitiert, dann ist das toll. Das bestätigt einen in seinen Ideen, gibt ein gutes Gefühl und stärkt letztlich das Selbstbild. Gegenteiliges gilt natürlich, wenn man von anderen Twitterern zerrissen wird …

Twittern macht schlau.
Mein Gott, bin ich informiert! Seit ich twittere, kriege ich enorm viel mit, was ich früher nicht wahrgenommen habe. Vor allem Wichtiges entgeht einem so gut wie nicht, weil es intensiv und über mehrere Quellen auf Twitter verbreitet wird. Das ist wirklich cool, weil man über die Kürze der Nachrichten in der Lage ist, vieles by the way und dennoch intensiv aufzunehmen.

Twitter ist flüchtig.
Der Nachrichtenstrom auf Twitter hat etwas von der Flüchtigkeit des Radios. Die Timeline läuft und läuft und das jeweils unterste kippt im Sekundentakt weg. Dies bedeutet, dass man nur dann Präsenz auf diesem Kanal hat, wenn man sehr viel und regelmäßig sendet. Mal „ab und zu“ twittern bringt keine Awareness und geht gnadenlos im Strom unter.

Twitterer können beeindrucken.
Obwohl jedem nur 140 Zeichen zur Verfügung stehen und man darin nur schwer die Weisheiten des Lebens niederschreiben kann, gibt es deutliche Unterschiede in der Qualität der Tweets. Manche Twitterer können sowohl sprachlich als auch durch Kompetenz enorm beeindrucken. Andere jetzt weniger …