Derzeit stehen Münster und Osnabrück unter dem Motto Frieden.Europa. Das so titulierte Projekt wurde anlässlich des Kulturerbejahres ins Leben gerufen und soll an die zentralen Wirkungsstätten des Westfälischen Friedens erinnern: die jeweiligen Rathäuser der beiden Städte.
Bloggerevent im Zeichen von Frieden.Europa
Unsere Agentur, vertreten durch meine Person, hat das Glück, das begleitende Blog betreuen zu dürfen. Den Auftakt machte eine Einladung an verschiedene Bloggerinnen und Blogger, vor Ort am Eröffnungsfest dabei zu sein und an einer ganz besonderen Stadtführung teilzunehmen. Neben dem Stadtmarketing von Münster und meiner Person waren angereist Ingo Busch (reise-wahnsinn.de), Tinka Rohlfing (stadtkonfetti.de) und Romy Minsk (snoopsmaus.de). Zudem zog an besagtem Tag eine separat organisierte Gruppe gutgelaunter Instagramer durch Münster.
Ein besonderer Tag mit mannigfachen Highlights
Dieser Tag in Münster hat mich wirklich beeindruckt. Neben den sehr netten Feierlichkeiten war es vor allem die Stadtführung selbst, die mich begeistert hat. Das lag nicht nur an der illustren Runde, mit der wir unterwegs waren. Eine Stadt durch eine thematische »Brille« – in diesem Fall zu »Frieden« – zu betrachten, eröffnet eine völlig neue Sicht. Vertrautes erscheint plötzlich in einem anderen Licht. Die Faszination wurde in großem Maße aber auch durch die äußerst versierte und sympathische Stadtführerin ausgelöst und führte dazu, dass wir viele spannende Eindrücke erhielten. Denn Marie-Theres Kramer vom Team StadtLupe Münster hatte eine Menge zu erzählen, und sie vermittelte die Inhalte im besten Sinne eines guten Storytellings. Vieles, von dem, was wir zu hören bekamen, kann und möchte ich hier im Detail gar nicht wiedergeben. Einen Aspekt aber will ich hervorheben, über den es nachzudenken lohnt: die Sprache der Symbole.
Geschichte und Geschichten in Symbole gegossen
Schon bei der ersten Station unserer Stadtführung, die in den Friedenssaal im historischen Rathaus führt, dominieren besagte Symbole. Denn der holzvertäfelte Saal wimmelt von kleinen Schnitzereien und Bildern. In einer Zeit, in der viele weder über Kenntnisse der Schrift und schon gar nicht über Bücher verfügten, war die bildhafte Darstellung im öffentlichen Raum eine effektive Form der »Informationsvermittlung«. So wird im Friedenssaal vor den Lastern des Trinkens gewarnt, es wird die Gerechtigkeit symbolisiert, aber auch subversiv Politik gemacht, indem man eine Schnitzerei zeigt, auf der eine übergroße Zunge den Bischof am Allerwertesten leckt. Ein wenig kam mir die Bilderflut im Friedenssaal vor wie eine analoge Form der Instastory: geballtes visuelles Storytelling, unterhaltsam und wirkungsvoll.
Wir erfuhren, dass zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges Ansichten und Positionen durchaus nicht nur in Form von Bildern deutlich gemacht wurden. Auch die Symbolpolitik im Protokoll der Friedensgesandten hatte es in sich: So ließen beispielsweise die holländischen Gesandten vor ihrer vierspännigen Kutsche zwei Pferde laufen, um den Adligen (Holland war damals schon Republik) nicht nachzustehen, die sechs Pferde einspannen durften. Oder auch der französische Gesandte Graf d’Avaux: Er blieb an der Außentreppe der Domherrenkurie seines Wohnsitzes stehen, weil er es seiner nicht für würdig hielt, die Holländer am Wagenschlag ihrer Kutsche willkommen zu heißen.
Am meisten beeindruckt hat mich allerdings die Information, dass die katholischen Gesandten des Westfälischen Friedens in Münster allesamt nicht in der Lage waren, miteinander zu sprechen. Man wollte einen Frieden verhandeln, konnte aber nicht in den Dialog treten, weil man sich nicht auf ein Protokoll bzw. eine Hierarchie einigen konnte. Jeder Gesandte meinte, es stünde nur ihm zu, als Erster einen Verhandlungssaal zu betreten. Das funktionierte natürlich nicht. So mussten die zwei Gesandten Alvise Contarini und Fabio Chigi es übernehmen, zu vermitteln. Dies taten sie in 800 (!) Einzelgesprächen. Um die darin getroffenen Entscheidungen verbindlich zu gestalten, mussten bei jedem Teilergebnis alle beteiligten Höfe und Fürstentümer per Depesche um Zustimmung gebeten werden. Daneben fand außerdem eine regelmäßige Abstimmung mit den evangelischen Gesandten im eine Tagesreise entfernten Osnabrück statt. Ganze fünf Jahre haben die Verhandlungen aus diesen Gründen gedauert.
Frieden durch Dialog: einst zu heute
Wie wäre das heute? Ich denke, es würde getwittert, News wie auch Fake-News würden die Runde machen, Zeitdruck würde herrschen, schnelle Ergebnisse würden eingefordert. Und dennoch wird heute wie damals ein Ergebnis bei vielen Konflikten auch nach Jahren nicht erzielt. Denn: Frieden braucht Zeit – in der analogen wie auch digitalen Ära.
Nach dem Besuch des Friedenssaals ging es dann für uns durch die Stadt. Auch hier finden sich viele Symbole für den Frieden. Die Goldene Fuge von Adolph Knüppel, die Skulptur Toleranz durch Dialog von Eduardo Chillida, die Stadtbibliothek Münster als Symbol für Bildung und damit auch für Dialog. Aber auch Symbole für Konflikt und Zwietracht können zum Frieden mahnen: So hängen immer noch die Käfige an Sankt Lamberti, in denen im Jahre 1536 die toten Körper der Wiedertäufer zur Schau gestellt wurden. Die leeren Gehege sind heute ebenfalls künstlerisch verwandelt und mit drei Glühbirnen (eine je Käfig) versehen. »Drei Irrlichter« heißt das Kunstwerk und symbolisiert diese ehemals dunklen Zeiten.
Auf Zeitreise Münster ganz neu entdecken
Mir ist an diesem Tag insgesamt erstmals bewusst geworden, wie viel Geschichte und wie viele Symbole sich in Münster an fast jeder Ecke verbergen. Bisher habe ich davon bei meinen Besuchen nur wenig wahrgenommen, weil ich mich auf die Hauptattraktionen und das bunte Angebot an Geschäften konzentriert habe. Die Stadt in dieser Weise neu zu entdecken, hat mich begeistert. Und ich bin gespannt, was ich in den kommenden Wochen und Monaten bei meinen anvisierten Reisen noch über Münster, Osnabrück und das Thema »Frieden« erfahren werde.
© Beitragsbild: Jürgen Weilandt
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