Auf Facebook bin ich eigentlich sehr gerne unterwegs. Ich habe dort viele Kontakte (keine FREUNDE, liebes Facebook!), 458 an der Zahl. Die meisten kenne ich aus meinem beruflichen Umfeld oder über Twitter, und ich möchte mich zu einem bunten Strauß unterschiedlicher Themen mit diesen austauschen. Darüber hinaus bin ich Fan von verschiedenen Unternehmen, die mir teilweise sehr gut gefallen und zudem teilweise auch meine Kunden sind. An deren Inhalten bin ich natürlich sehr interessiert und erfreue mich an ihren Posts. Es könnte also alles sehr schön sein…

Ist es aber nicht!

Dank der immer wieder viel diskutierten Filterfunktion von Facebook sehe ich von Tag zu Tag weniger von meinen 458 Kontakten und fast überhaupt nichts mehr von Unternehmen, die ich irgendwann einmal geliked habe. Gefühlt sind es 10 bis 30 Personen, die meine Timeline dominieren (ich schätze diese Menschen und sie dürfen da sein, das sei betont!), weil sie die entsprechende Resonanz haben. Alles andere verschwindet im Nirwana.

Natürlich kann man einzelne Seiten »favorisieren«, aber dann kommen auch nur maximal 30 und die immergleichen. Eben so wenig wird es mein Problem lösen, dass Facebook mir jetzt einen „Entdecker-Feed“ anbietet, um mehr zu sehen als die eigene Filterbubble. Kurz: Ich möchte keine neuen Empfehlungen. Ich möchte die bestehenden deutlich umfangreicher zu Gesicht bekommen.

 

Warum macht Facebook das so?

Das Facebook mein Interesse so wenig bedient, hat aus meiner Sicht drei Gründe:

  1. Facebook versteht überhaupt nicht, was Relevanz ist

Nicht die Katze oder das Foodporn-Foto, die ich im Sekundenbruchteil wahrnehmen und liken kann, sind relevante Inhalte bei Facebook. Sie mögen am häufigsten geteilt werden, aber »relevant« sind sie damit für mich nicht.

Relevant sind die Beiträge, die ich meist nur anlesen kann, weil meine Facebook-Nutzung sich in Sekundenhäppchen (immer zwischendrin) zerteilt. Relevant sind die kurzen Statusmeldungen meiner Freunde (ja, diesmal meine ich Freunde), die ich aus dem Augenwinkel wahrnehme, um zu sehen, was mein Umfeld gerade so macht. Relevant sind die Produktbotschaften befreundeter Unternehmen oder die ausführlichen Textnews meiner Netzwerkkontakte, um zu sehen, was es Neues gibt. Alle diese Themen sind für mich hochrelevant. Dummerweise like, teile oder interagiere ich meist nicht, weil es dabei nichts zu Liken, Teilen oder Interagieren gibt oder weil mir dazu gerade Zeit und Muse fehlen.

Je mehr Content es auf Facebook gibt, desto weniger greift der Algorithmus (Filter). Facebook wird nicht besser, sondern immer schlechter darin, meine Timeline für mich zu »konfigurieren«. Das Ergebnis ist eine Selektion von Posts, die gefühlt nur noch ein kleines Seifenbläschen innerhalb meiner Filterblase darstellen.

  1. Facebook weiß nicht, was »soziales Netzwerk« bedeutet

Da reden wir immer von »Social Network«, aber genau an diesem Punkt scheitert Facebook doch. Ein soziales Netzwerk ist ein sensibles und komplexes Gefüge von Verbindungen, Erwartungen und Tauschbeziehungen. Es gibt verschiedene Ebenen der Kommunikation und unterschiedliche Grade der Verbindung.

Mit anderen Worten: Auch auf Facebook habe ich Kontakte mit großer Distanz, enge Freunde, lose Bekanntschaften, nutzenorientierte Beziehungen, emotionale Bindungen etc. Eine solch feine Unterteilung kennt das Social Network aber nicht. Facebook kennt nur »Freunde« und versteht entsprechend nicht, dass ich manchmal ein »Like« setze, ohne zu mögen, oder manchmal mag, ohne zu liken. Es versteht auch nicht, nach welchem Prinzip ich teile.

Das Ergebnis: Ich like Nachrichten und bekomme dieselben Nachrichten wieder und wieder, ohne dass ich es wollte. Ich like interessanten Content nicht und bekomme ihn nie mehr zu Gesicht, weil Facebook nicht versteht, dass ich ihn wiederhaben möchte.

So ignoriert Facebook beispielsweise völlig meine Themeninteressen (etwa Kultur), wenn es um die Timeline geht. Die kulturinteressierten Freunde und Bekannten erhalten für ihre spitzen Themen meist keine Masse an Likes. Ergo tauchen sie bei mir nicht auf. Das ist frustrierend.

  1. Facebook forciert Werbeeinnahmen ohne Rücksicht auf Userinteressen

Wenn ich ein Unternehmen like, fälle ich eine bewusste Entscheidung. Das heißt: Ich möchte die Posts dieses Unternehmens sehen. Und zwar auch dann, wenn sie keine Likes von anderen erhalten haben und auch von mir keine erhalten werden. Ich möchte die Information, weil ich irgendwann einmal auf »gefällt mir« geklickt habe. Und wenn sie mich stört, »bestelle« ich sie einfach wieder ab. Das ist doch nicht so schwer zu verstehen? Facebook aber hat an dieser Stelle extrem taube Ohren. Gezeigt wird, wofür Werbung fließt. Und vielleicht noch der ein oder andere Posts, der so viele Likes und Kommentare hat, dass man ihn unmöglich ignorieren kann.

Alle kleinen und mittleren Unternehmen mit wenig oder mittel kreativ gestaltetem Content haben nicht den Hauch einer Chance, bei mir durchzukommen. Dabei ist es mir doch egal, ob mein Friseur gelungenen Content hat. Ich will ihn in der Timeline, weil ich über ihn informiert sein will, worüber er gerade so »spricht«. Jeden Tag aufs Neue schaue ich deshalb »manuell« auf die Unternehmen, die mir wichtig sind. Und jeden Tag wieder verschwinden sie (da es nicht jeden Tag dieselben sind, nützt auch das Favorisieren nicht weiter). Selbst mein eigenes Unternehmen hält sich ohne Favorisierung nicht in meiner Timeline (dass mein Interesse daran groß ist, müsste Facebook doch schon anhand meiner Profilinfos »verstehen«!). Das macht einfach keinen Spaß!

 

Warum »überrascht« mich Facebook nicht mal?

Dabei gäbe es Lösungen. Man könnte etwa einen Button haben, um zu markieren, wer oder was in der Timeline verbindlich erscheinen soll (unabhängig von den Favoriten, die ganz oben erscheinen sollen). Facebook könnte einen rotierenden Automatismus haben, der Personen oder Unternehmen regelmäßig wieder vorlegt. Der Filter könnte dauerhaft abschaltbar sein usw.

Es sind also keine technischen Gründe, dass »mein Facebook« kaputt ist. Es ist so gewollt. Facebook will mir keine Vielfalt bieten. Facebook will meine Timeline so eng wie möglich stecken. Je mehr Catcontent mit vielen Likes und Kommentaren ich bekomme, je weniger nehme ich die leisen Töne wahr. Ein einfacher kleiner Textstatus? Erscheint nicht mehr. Ein kleiner feiner Laden mit kleinen Fanzahlen? Erscheint nicht mehr. Ein Post ohne gutes Bild, aber mit Information? Erscheint nicht mehr.

Facebook ist ein Marktplatz. Aber keiner mehr, bei dem es bunte und ausgefallene Marktstände gibt. Es ist ein Ramschplatz, auf dem die dominieren, die am lautesten schreien oder am meisten zahlen. Das ist fatal. Das sorgt dafür, dass ich mit meinem privaten Profil mehr und mehr zurückweiche auf Twitter, Xing oder andere soziale Netzwerke. Anwendungen wie FB Purity zu nutzen, kommt für mich nicht infrage. Und sollte es jemals eine Konkurrenz zu Facebook mit besseren Filtermöglichkeiten geben, wäre ich schneller weg, als Zuckerberg seinen Namen sagen kann.

 

Nachtrag

Natürlich werden wir Facebook unseren Kundenunternehmen nach wie vor als Marketinginstrument ans Herz legen. Es ist einfach ein gutes und in vielen Bereichen leider konkurrenzloses Instrument des digitalen Dialogs und Werbens. Dennoch ärgere ich mich sehr, dass die Filterfunktionen keine bessere und feinere Qualität liefern. Hier muss doch mehr möglich sein, oder?

 

Noch ein Nachtrag

Im privaten Bereich mag das Thema »Listen« bei dem Sichtbarmachen von Freunden noch ein wenig weiterhelfen. Bei Unternehmensseiten ist dies wenig zielführend.

 

*Die Anlehnung an Lobo ist natürlich gewollt.