Wenn wir als Endverbraucher künftig Werbung immer häufiger vermeiden, werden sich Unternehmen andere Wege überlegen müssen, uns ihre Botschaften zu vermitteln. Es gilt, sich stärker als bislang mit interessanten Inhalten statt mit platten (aber eingängigen) Werbebotschaften Gehör zu verschaffen. Stichwort: Storytelling. 

Was ist der Unterschied zwischen Werbung und Empfehlungsmarketing? Bei Werbung lernen wir eine Botschaft (unfreiwillig) auswendig, bei Empfehlungsmarketing haben wir ein Aha-Erlebnis. Ein Beispiel: »Wäscht so weiß, weißer geht’s nicht«, das kennt wahrscheinlich jeder. Oder auch „Vorsprung durch Technik“. Man wurde so häufig mit diesen oder anderen Werbeslogans penetriert, dass man sie einfach auswendig können muss. Dabei ist es völlig egal, ob sie glaubwürdig sind oder man das Produkt mag, für das sie stehen. Wir können sie einfach mitsingen. So funktioniert erfolgreiche Werbung (noch).

Was aber, wenn wir der Werbung mehr und mehr ausweichen können? Wenn wir vermehrt im Fernsehen Sendungen werbefrei »on demand« konsumieren? Wenn wir Ad-Blocker aktivieren im Netz? Wenn wir das Radio bei Werbung ausschalten und auf die persönliche Musik-Liste ausweichen?

So viel ist sicher: Unternehmen müssen bereits jetzt und in Zukunft verstärkt andere Wege beschreiten, um uns ihre Botschaften zu überbringen. Da gilt es, sich stärker als bislang mit interessanten Inhalten statt mit platten (aber eingängigen) Werbebotschaften Gehör zu verschaffen.

Diesen Wandel in der Kommunikation durch die Digitalisierung sahen schon 1999 die Internetexperten Levine, Locke, Searls & Weinberger voraus. Sie hielten im sogenannten Cluetrain Manifest 95 Thesen fest, wie sich Unternehmen aus ihrer Sicht wandeln müssen. Eine dieser Thesen lautet:  »Wenn Ihr wollt, dass wir uns mit Euch unterhalten, dann erzählt uns was. Zur Abwechslung mal etwas Interessantes.«

Damit trifft das Manifest die Kommunikation im digitalen Zeitalter auf den Punkt: Wir wollen nicht mit Megaphonen und immer gleichen Inhalten beschallt werden, sondern möchten spannende und interessante Geschichten hören – auch von Unternehmen, deren Produkte wir kaufen sollen.

Das Prinzip ist relativ einfach. Im Netz hören, lesen oder sehen wir jeden Tag eine ganze Menge von Geschichten. Einige interessieren uns nicht, einige sind langweilig, einige zaubern uns ein Lächeln aufs Gesicht und einige sind so besonders, dass wir sie unseren Freunden weiterreichen. Dabei ist es auch hier – wie bei den Werbeslogans – nicht wirklich wichtig, zu wissen, ob die Geschichte wahr ist oder nicht. Sie muss theoretisch wahr sein können und ihre Empfänger begeistern.

Ein Beispiel für eine solche Geschichte ist »Die Spinne in der Yucca-Palme«, die in diesem Zusammenhang gerne zitiert wird, und die eine ganze Zeit lang von Mund zu Mund ging.

Storytelling: der Schlüssel für effektives und nachhaltiges Digitalmarketing 

Was aber bedeutet dieser Mechanismus für Unternehmen? Sie müssen ebenfalls Geschichten erzählen. Und zwar Geschichten, die ihre Zielgruppen etwas angehen. Geschichten, die interessieren. Geschichten, die man weitererzählen mag. Geschichten, die hervorstechen, die man sich merkt und das Unternehmen glaubwürdig, sympathisch und menschlich erscheinen lassen.

Unternehmen brauchen Storytelling! Aber einseitiges Erzählen reicht nicht. Unternehmen müssen die Entwicklung ihrer Geschichten beobachten. Sie müssen ihre potenziellen oder bestehenden Kundinnen und Kunden miteinbeziehen, sie selbst erzählen lassen und auf deren Beiträge reagieren und antworten. Auf diese Weise entsteht ein dynamischer Erzählfluss, der im Idealfall nicht versiegt und positiv auf das Unternehmen einstrahlt. Wer dieses Prinzip verstanden hat, glänzt meist durch ein gelungenes Digitalmarketing auf allen Kanälen.

Gutes Storytelling: keine Frage der Unternehmensgröße

Wie gut Storytelling sowohl für kleine als auch große Unternehmen funktionieren kann, zeigen die folgenden Beispiele.

Red Bull: Ein großes Beispiel für Storytelling ist der Sprung von Felix Baumgartner. Neben einer enormen Öffentlichkeit und Medienpräsenz erreichte dieses Video fast 3,4 Millionen Abrufe:

Obermutten: Die kleine Gemeinde Obermutten in der Schweiz hatte die Idee, das Bild eines jeden Facebook-Fans auszudrucken und an die Dorf-Anschlagwand zu hängen. Die Gemeinde erzählte diese Geschichte über beinahe zwei Jahre hinweg und hat inzwischen 43.000 Fans.

Buchladen Neusser Strasse: Der kleine Buchladen macht vor, wie erfolgreich man ist, wenn man nicht einfach wirbt, sondern erzählt und erlebbar macht, was den stationären Buchhandel auszeichnet.

Gothaer Versicherung: Geschichten erzählen, aber auch Geschichten von Kundinnen und Kunden sammeln. Das ist das Prinzip des meistkommentierten Versicherungsblogs in Deutschland: der Blog der Gothaer in Köln.

Fazit

Storytelling und Contentmarketing hängen also weder von der Unternehmensgröße noch von der Branche ab. Es geht darum, einen Sinn für gute Geschichten zu entwickeln. Die findet man dann überall, denn im Grunde liegen Geschichten auf der Straße. Man muss sie bloß ein Gespür dafür entwickeln, diese auch aufzugreifen.