Schaut man sich die Reichweiten-Messungen an, dann wirkt alles gar nicht so schlimm: Die Fernsehnutzung steigt nach wie vor, die Radionutzung hält sich tapfer, und selbst verschiedene Zeitungen schaffen steigende Leserzahlen. Stellt man dem einmal die Kommentar- und Nutzungszahlen zu Radio- und Fernsehprogrammen auf Facebook, Twitter und bei den Mediatheken gegenüber, sind diese nicht gerade üppig – im Vergleich zu den Quoten erscheinen sie kaum nennenswert.

Was schließen wir daraus? Sollten wir das Thema Medienwandel erst einmal zu den Akten legen? Übertreiben die Propheten, die von einem Um-, Ein- oder sogar Wegbruch der klassischen Medien sprechen? Das glaube ich nicht.

Der Grund, warum ich nach wie vor das Gefühl habe, es passiere etwas Entscheidendes? Mein eigenes Nutzungsverhalten. Deshalb habe ich im Folgenden einmal versucht, meine Top-Ten-Symptome aufzuschreiben, die ich an mir beobachte und die einen klaren Bruch in meiner »Mediennutzungsverhaltens-Biografie« belegen – den digitalen Wandel eben.

1. Die Ungeduld wächst

Früher habe ich, wann immer ich den Fernseher zu früh eingeschaltet hatte, geduldig das Ende der zuvor ausgestrahlten Sendung angeschaut (samstags war es meist »Das Wort zum Sonntag«), um den Beginn „meiner“ Sendung abzuwarten. Heute liegt die Fernbedienung immer griffbereit (genauso wie das Handy), und ich würde einen uninteressanten »Sendungsrest« oder gar »Das Wort zum Sonntag« niemals »ungezappt« oder ohne Nebenbei-Nutzung meines iPhones erdulden.

2. Hörspiele statt Radio bei langen Autofahrten

Früher habe ich bei längeren Autofahrten immer gelitten, wenn das Sendegebiet wechselte. Erst musste ich mir überlegen, durch welches Bundesland ich gerade fahre, dann den Sender auswählen, der mir gefiel. Inzwischen mache ich das nicht mehr. Wenn ich heute länger im Auto sitze, dann wird ein Hörbuch mitgenommen oder aber die eigene Musik. Radio liebe ich immer noch. Aber der ständige Senderwechsel? Nein, danke!

3. Mir fehlt das Teilen, wenn ich Zeitung lese

Ich erwische mich inzwischen regelmäßig dabei, dass ich einen Print-Artikel lese und begeistert bin, aber gleich darauf auch leicht frustriert, weil ich niemandem mittels einem Klick via Twitter und Facebook an meiner Erfahrung teilhaben lassen kann. Denn wenn ich auf etwas stoße, was mich begeistert, möchte ich das auch »(mit)teilen« – das gilt für gute Bücher, besuchte Konzerte, Artikel, Sendungen etc. Wenn das nicht geht, weil der Inhalt im Netz nicht zur Verfügung steht, enttäuscht mich das. Wer hätte das vor fünf Jahren gedacht? Ich nicht.

4. Vieles, was ich in Zeitung, Fernsehen oder Radio lese/sehe, ist schon bekannt

Die Nutzung von Twitter führt zu einer extrem schnellen Versorgung mit Informationen. Auch auf Facebook bekommt man eine ganze Menge mit. Insgesamt passiert es dadurch recht häufig, dass man in den Zeitungen nur noch wenig Neues findet und auch die Fernsehnachrichten nicht mehr für zwingend notwendig hält.

5. Schlechte Zeiten für Live-Sendungen

Inzwischen ist es für mich zur Seltenheit geworden, den Fernseher genau um 20.00 oder 20.15 Uhr einzuschalten. Der Tag nimmt seinen Lauf, und irgendwann hat man halt Lust auf Fernsehen. Dann schalte ich ein, zappe rum – und finde nicht wirklich das, wonach ich gesucht habe. Also wechsle ich zum »Dosenfernsehen«: TV-Aufnahmen, DVD oder Online-Videothek. Möglichkeiten hat man inzwischen genügend.  

6. Google und YouTube statt blättern im Brockhaus

Gerne erzähle ich immer mal, dass ich noch Besitzerin eines Brockhaus in Buchform bin. Stolz auf dieses wunderbare Nachschlagewerk bin ich wirklich. Reingeschaut wird allerdings nur noch äußerst selten. Wenn ich etwas wissen möchte, dann ist der erste Weg der an den PC. Im Brockhaus findet man zwar vieles, aber die Bilder sind maximal im Briefmarkenformat, der Text ist eher unzugänglich und wichtige Teilinformationen findet man meist nicht auf Anhieb. Gerade Kindern kann man vieles über YouTube oder Sonderseiten im Netz deutlich besser klar machen als über das klassische Lexikon.

7. Das Telefon: so was von unattraktiv

Für mich persönlich gilt: Mit einem intensiven persönlichen Austausch und sehr viel Kommunikation über das Netz ist mein Gesprächsbedarf in der Regel gedeckt. Was entschieden „hinten runterfällt“, ist das Telefon. Das ist schade für die Menschen, die weder im Netz noch live gut erreichbar sind, aber es ist auch das am wenigsten reizvolle Kommunikationsmedium. Man hat kein echtes Gegenüber, möchte aber dennoch ein persönliches Gespräch führen. Das macht meist nicht so richtig viel Spaß. Und wenn dann noch eine Telefonumfrage droht, dann ist man erst recht nicht motiviert, den Hörer abzunehmen – leider!

8. Service- und Ratgeber-Sendungen: Wozu noch?

Wenn ich wissen möchte, „was ist zu tun bei …“, dann schaue ich im Internet nach. Wenn ich ein Rezept suche, dann schaue ich im Internet nach. Wenn ich eine Frage zu einem Produkt habe, auch dann schaue ich im Internet nach. Vor diesem Hintergrund bin ich inzwischen an Service- und Ratgebersendungen im Fernsehen nur noch sehr wenig interessiert. Warum soll ich mir abends Tipps gegen Schnecken im Garten ansehen, wenn ich die nach persönlichem Bedarf auch googeln kann? Das ergibt für mich wenig Sinn.

9. Verkehrsnachrichten im Radio: nervtötend

Stau-Informationen rufe ich inzwischen gewohnheitsmäßig über das Navigationsgerät ab, vielleicht ergänzend noch über die aktiven Abruf-Funktionen im Radio. Da benötige ich keinen Sprecher mehr, der mir das alles vorliest! Jedenfalls denke ich so … und bin genervt.

10. Amerikanische Spielfilme mit Werbeunterbrechungen:  geht gar nicht mehr

Vielleicht liegt auch das an der mangelnden Geduld: Läuft im Fernsehen ein Film, der mich interessiert, nehme ich das zum Anlass, entweder diesen Film für eine zeitversetzte und dann werbefreie Nutzung aufzunehmen oder ihn in der nächsten Zeit einfach mal via Online-Videothek zu entleihen, um ihn dann ebenfalls ohne Werbung (!) genießen zu können. Mehrere lange Werbeblöcke dazwischen: Das ist mir einfach zu viel.

Fazit

Viele der beschriebenen Mediennutzungsmuster sind in den vergangenen fünf Jahren schleichend bei mir eingetreten. Natürlich muss man immer aufpassen, nicht zu sehr von sich auf andere zu schließen. Und immer noch sind die Zahlen für geänderte Nutzungsmuster in repräsentativen Studien eher gering. Die „Masse“ tickt scheinbar noch wie früher. Aber meiner Einschätzung nach ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis das, was ich an mir selbst beobachte, sich auch in den Erhebungen spiegeln wird. Denn nimmt man alle diese „kleinen“ Verhaltensänderungen zusammen, steht man vor einem fundamentalen Umbruch. Und darauf sollten alle Medienmacher vorbereitet sein!